Freiheit und Unfreiheit in Mitteleuropa (vom Frühmittelalter bis 1989)

Freiheit und Unfreiheit in Mitteleuropa (vom Frühmittelalter bis 1989)

Veranstalter
Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń) – Dr. Renata Skowrońska; Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Philosophische Fakultät, Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte – Prof. Dr. Helmut Flachenecker, Dr. Lina Schröder; Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń, Institut für Geschichte und Archivkunde, Lehrstuhl für Geschichte der skandinavischen Länder sowie Mittel- und Osteuropas – Prof. Dr. Andrzej Radzimiński; Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie – Prof. Dr. Caspar Ehlers; Stiftung Kulturwerk Schlesien – Lisa Haberkern M.A. Die Tagung wird in Verbindung mit dem Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg und dem Kolleg „Mittelalter und Frühe Neuzeit” veranstaltet. (Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń))
Ausrichter
Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń)
Veranstaltungsort
Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg (Domerschulstraße 17, Würzburg)
Gefördert durch
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
PLZ
97074
Ort
Würzburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
28.09.2023 - 29.09.2023
Deadline
27.09.2023
Von
Renata Skowronska, Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Einladung zur wissenschaftlichen Tagung

Freiheit und Unfreiheit in Mitteleuropa (vom Frühmittelalter bis 1989)

Das Recht eines jeden Menschen auf persönliche Freiheit ist ein zentrales Thema der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte”, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Im ersten Artikel wird betont, dass der Mensch frei, mit individueller Würde und ausgestattet mit unveräußerlichen Rechten, geboren wird: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren” („All human beings are born free and equal in dignity and rights”). In den nächsten Punkten wurden die Rechte garantiert, die die Freiheit des Menschen im weitesten Sinne ausmachen, unter anderem: persönliche Freiheit, das Recht auf Freizügigkeit, das Recht auf Arbeit und Beruf, auf Eigentum und das Recht zu heiraten. Im vierten Artikel der „Erklärung” – der zum Motto unserer Tagung wurde – wurde die Unveräußerlichkeit des Rechts auf Freiheit und Pönalisierung aller Formen von Versklavung erklärt: „Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten” („No one shall be held in slavery or servitude; slavery and the slave trade shall be prohibited in all their forms”).

Ziel der Tagung ist es, die lange Entwicklung der Idee des Rechts eines Jeden auf volle Freiheit und die Definition dieses Rechts als unveräußerlich aufzuzeigen: in der philosophischen wie rechtlichen, aber auch in der religiösen (alle Christen, unabhängig von ihrer sozialen Position, sind gegenüber Gott gleich und frei) Theorie und Praxis Mitteleuropas. Es stellt sich unter anderem die Frage, ob der in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” verwendete Begriff der „Sklaverei” – der auch in der Rechtsetzung der mitteleuropäischen Staaten im 19. und 20. Jahrhundert auftaucht – zu den rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen in diesen Gebieten in den vergangenen Epochen (beginnend im Frühmittelalter) richtig passt. Dabei wird es ebenso interessant sein zu sehen, auf welche Weise verschiedene Formen der Beschränkung der Freiheit der Menschen definiert und inwieweit sie rechtlich und gesellschaftlich in Bezug auf verschiedene Individuen und Gruppen akzeptiert wurden. Diesbezügliche Beispiele für Rechtfertigung der Freiheitsbeschränkung sind etwa die Untergrabung des Menschseins, der intellektuellen Möglichkeit der Selbstbestimmung oder das Zulassen einer Versklavung von Nicht-Christen. In diesem Zusammenhang scheint es außerdem ebenso wichtig, die Entwicklungen in Philosophie und Theologie zu betrachten, die die Einschränkung der Freiheit einzelner Personen sowie ethnischer, sozialer oder religiöser Gruppen rechtfertigten oder ablehnten. Beispielsweise wurde in der spanischen Neuscholastik der „Schule von Salamanca” gerade diese Ablehnung intensiv durchdacht, was zur Idee des „ius gentium” im modernen Sinne führte – nicht im Sinne eines Völkerrechts, sondern eher gedacht als ein individuelles Recht der Menschen. Letzteres führt zu weiteren Fragen: Welchen Einfluss übten die in verschiedenen Regionen der Welt stattgefundene philosophische Diskurse auf die Situation in Mitteleuropa aus? Oder welche Bedeutung hatte die Reformation mit ihren verschiedenen Auslegerungen? Die Tagung zielt darauf ab, an ausgewählten Beispielen verschiedene Gründe, Ausmaß, Umstände, Formen und Folgen der Beschränkung der Freiheit der Menschen (bis auf ihre Versklavung) aufzuzeigen. Die Referate der Tagung sollen anhand konkreter Beispiele den Prozess der Umwandlung der Idee der Sklaverei im antiken Sinne in andere Formen der individuellen und kollektiven Versklavung und deren letztendliche Negierung und Pönalisierung aufzeigen und dabei auch die aktuell geführten und sehr vielfältigen wissenschaftlichen Debatten miteinbeziehen.

Der geographische Rahmen der Tagung umfasst Mitteleuropa, wobei der Schwerpunkt auf zwei Räumen liegt: den historischen polnischen und deutschen Kultur- und Geschichtsraum. Die politischen Grenzen dieser Gebiete decken sich weitgehend mit den Territorien des Heiligen Römischen Reiches, Preußens, des Deutschen Bundes bzw. des Deutschen Reichs bis hin zur DDR und BRD sowie mit Polen (Königreich Polen, Polen-Litauen, Rzeczpospolita, Herzogtum Warschau, Kongress-Polen, Zweite Polnische Republik, Volksrepublik Polen). Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über verschiedene Epochen, vom frühen Mittelalter bis etwa 1989.

Die Tagung wird unter der Schirmherrschaft von Herrn Generalkonsul Jan M. Malkiewicz (Generalkonsulat der Republik Polen in München) veranstaltet.

Programm

Programm (Änderungen vorbehalten)

DONNERSTAG, 28. SEPTEMBER 2023

9:00–9:30 Grußworte
- Thomas Wehner M.A., stellvertretender Leiter von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg
- Veranstalter: Dr. Renata Skowrońska, Prof. Dr. Helmut Flachenecker, Dr. Lina Schröder, Prof. Dr. Andrzej Radzimiński, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Prof. Dr. Caspar Ehlers, Lisa Haberkern M.A.
9:30–10:00 Einführungsvortrag: Im Zeitalter des Übergangs (Moderation: Prof. Dr. Caspar Ehlers)
- Prof. Dr. Szymon Olszaniec (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu): Slavery in the late Roman Empire – An overwiew
10:00–10:30 Kaffeepause

10:30–12:15 Einführungsvorträge: Ideen und rechtliche Grundlagen von Freiheit und Unfreiheit (Moderation: Prof. Dr. Caspar Ehlers)
- Prof. Dr. Thomas Wetzstein (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt): Freiheit und Unfreiheit im mittelalterlichen Kirchenrecht
- Dr. Kaveh Yazdani (University of Connecticut): Political economy, capitalism and discourses on free and unfree labor, ca. 17th to 19th centuries
- Prof. Dr. Volodymyr Abaschnik (Nationale Medizinische Universität Charkiw, Ukraine): Beitrag polnischer und deutscher Gelehrter zu Freiheitsdiskussionen an der Universität Charkiw in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Diskussion (zu den vier ersten Vorträgen)
12:15–14:30 Mittagspause

14:30–16:00 Das Freiheitsverständnis im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Moderation:)
- Prof. Dr. Wojciech Mrozowicz (Uniwersytet Wrocławski): Freiheit als Wert in der schlesischen Historiografie und Hagiografie des Mittelalters
- Vera H. Eiteneuer M.A. (Bergische Universität Wuppertal) : Gehorsam und Ungehorsam von Unfreien im Hochmittelalter
- Prof. Dr. Michał Kuran (Uniwersytet Łódzki): Freedom and enslavement of nations and individuals in the European Sarmatian Chronicle (1611) by Alexander Gwagnin
Diskussion
16:00–16:30 Kaffeepause

16:00–17:30 Freiheit im Krieg? (Moderation:)
- Prof. Dr. Krzysztof Kwiatkowski (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu): Unfreie in spätmittelalterlichen Preußen. Zwischen Krieg und Kolonisation
- Jakub Sytniewski M.A. (Uniwersytet Opolski): About mutual experience of captivity. The situation of prisoners of war from the Polish-Lithuanian state in the Crimea and Tatars captives in Polish-Lithuanian Commonwealth in 17th century
- Dr. Alexandra Pulvermacher (Universität Klagenfurt): Die Anwendung der „Schutzhaft“ im besetzten Polen am Beispiel der „Intelligenzaktion Zichenau“
Diskussion
17:30 Stadtbesichtigung

FREITAG, 29. SEPTEMBER 2023

9:00–10:30 Freiheit und Unfreiheit im Mittelalter ‚in der Praxis‘ (Moderation: Prof. Dr. Helmut Flachenecker)
- Dr. habil. Jacek Bojarski (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu) und Dr. Małgorzata Derecka (Uniwersytet Warmińsko-Mazurski): Auch nach dem Tod zusammen. Freier Wille oder Religions- und Gesellschaftdiktat?
- Eduard Visintini M.A. (Johannes Gutenberg-Universität Mainz): Rightful and Unrightful Unfreedom in the Early Middle Ages: The Case of Merovingian Francia
- Sebastian Kalla M.A. (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Die ancillae im Hochmittelalter. Ein Fortbestehen der Sklaverei?
Diskussion
10:30–11:00 Kaffeepause

11:00–12:00 Freiheit und Unfreiheit in der Frühen Neuzeit ‚in der Praxis‘ (Moderation: Dr. Lina Schröder)
- Prof. Dr. Wolfgang Wüst (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg): Konfessionszwang und Kirchenzucht nach dem Religionsfrieden von 1555. Religiöse Unfreiheit im Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im Spiegel von Kirchen-, Policey- und Strafordnungen
- Jan Ocker M.A. (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel): „das unsere undersaten [...] unsere liebeigen seindt“. Gedanken zur Geschichte, Struktur und Wahrnehmung der Gutswirtschaft in Holstein, Mecklenburg und Pommern (16. bis 19. Jahrhundert)
Diskussion
12:00–14:00 Mittagspause

14:00–15:00 Zur (Abschaffung der) Leibeigenschaft (Moderation:)
- Dr. Jacek Kordel (Uniwersytet Warszawski): „Les paysans sont esclaves de la noblesse“. Die Lage der polnischen Bauern im Spiegel der Autoren der europäischen Aufklärung
- Dr. Andrzej Michalczyk (Ruhr-Universität Bochum): Der Wandel soziokultureller Haltungen und Erwartungen in einer Post-Leibeigenschaft-Gesellschaft. Oberschlesien im langen 19. Jahrhundert
Diskussion
15:00–15:30 Kaffeepause

15:30–16:30 Diskussionen über Freiheit und Unfreiheit im 19. und 20. Jahrhundert (Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Wüst)
- Prof. Dr. Marta Baranowska (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu) und Dr. Paweł Fiktus (Wyższa Szkoła Prawa we Wrocławiu): Analysis and criticism of the Slavery Convention of September 25, 1926 in Polish political and legal thought of the interwar period
- Dr. habil. Bartosz Kaliski (Instytut Historii im. Tadeusza Manteuffla Polskiej Akademii Nauk): Das tschechische Schicksal? Journalist Jiří Lederer (1922–1983) – Opfer zweier totalitären Systeme
Diskussion
16:30–17:00 Schlussdiskussion

Kontakt

Dr. Renata Skowrońska: renata.skowronska@uni-wuerzburg.de

http://pmh.umk.pl/de/sklaverei/